Das Zuflussprinzip im SGB II stößt bei vielen Mandanten – oftmals zu Recht – auf Unverständnis.
Gesetzlich geregelt ist es in § 11 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 SGB II. Demnach sind Einnahmen grundsätzlich in dem Monat anzurechnen, in dem sie zufließen.
Irgendwie musste man ja gesetzlich regeln, wie Einkommen in zeitlicher Hinsicht angerechnet werden soll, und da das Alg II monatsbezogen berechnet wird, macht das Abstellen auf den Zuflussmonat auf den ersten Blick Sinn. Schließlich kann man mit zufließendem Geld sofort Rechnungen bezahlen (im AlgII-Jargon: seine Bedarfe decken). In nicht seltenen Fällen führt diese Methode aber zu skurrilen Ergebnissen.
Fängt man beispielsweise am 1. März an zu arbeiten und erhält seinen ersten Lohn am 30. März, hat man für März keinen oder nur noch einen geringeren Anspruch auf Leistungen. Alg II wird nun aber am Anfang des Monats ausgezahlt (in der Praxis am Ende des Vormonats). Das bedeutet, man bekommt am 1. März schon weniger oder gar keine Leistungen mehr, weil am 30. März der Lohn kommt. Mit dem Lohn vom 30. März kann man aber am 1. März keine Miete zahlen, jedenfalls nicht ohne Zeitmaschine. Aber so ist es nunmal, rechtlich ist das alles korrekt.
Für bestimmte Fälle hat der Gesetzgeber Ausnahmen vom (strengen) Zuflussprinzip vorgesehen, deswegen sprechen die Gerichte vom „modifizierten“ Zuflussprinzip. Zum Beispiel bestimmt § 11 Abs. 3 Satz 3 SGB II die Anrechnung von einmaligen Einnahmen im Folgemonat, wenn für den Zuflussmonat schon Leistungen ausgezahlt wurden. § 22 Abs. 3 SGB II regelt die Anrechnung von Nebenkostenguthaben nach dem Monat der Gutschrift oder Rückzahlung.
Das Bundessozialgericht hatte im Oktober 2017 zu entscheiden, ob ein nachgezahlter Kinderzuschlag im Zuflussmonat anzurechnen ist oder in dem Monat, für den der Kinderzuschlag gezahlt wurde. Die Kläger hatten für August 2015 einen Anspruch auf Kinderzuschlag und stellten deswegen keinen Antrag auf Alg II. Ausgezahlt wurde der Kinderzuschlag aber erst Anfang September 2015. Ab September bestand kein Anspruch mehr auf Kinderzuschlag, sondern auf Alg II. Das beklagte Jobcenter war nun der Meinung, der im September ausgezahlte Kinderzuschlag sei wegen des Zuflussprinzips im September anzurechnen. Die Kläger waren der Meinung, der Kinderzuschlag müsse im August berücksichtigt werden, für den mangels Antrag ohnehin kein Ansspruch auf Alg II bestand.
Das BSG gab den Klägern Recht, mit einer nicht ganz trivialen Begründung. Sieht man sich die oben genannten Ausnahmen vom Zuflussprinzip an, erkennt man den klaren Wortlaut, mit dem ein abweichender Anrechnungszeitpunkt bestimmt wird. Das BSG sieht eine abweichende Regelung auch in § 6a Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 BKGG, obwohl da in klaren Worten nichts von einem anderen Anrechnungszeitpunkt auf Leistungen nach dem SGB II steht. Das BSG leitet vielmehr aus der Gesetzessystematik her, dass Kinderzuschlag immer nur in dem Monat berücksichtigt werden darf, für den er gezahlt wird. Nach der gesetzlichen Konzeption schließen sich Alg II und Kinderzuschlag gegenseitig aus. KiZ soll vermeiden, dass Familien Alg II beantragen müssen, obwohl nur ein geringer Restbedarf besteht. Verzichtet eine Familie auf den AlgII-Antrag weil ein KiZ-Anspruch besteht, muss dann aber wegen sinkenden Einkommens doch ins Alg II wechseln, würde bei späterer Auszahlung des KiZ dieser in gewisser Weise doppelt berücksichtigt, nämlich im Anspruchsmonat und im Auszahlungsmonat. Um solchen bösen Überraschungen vorzubeugen, müsste man zur Sicherheit beide Anträge gleichzeitig stellen. Das ist aber gerade nicht Sinn der Sache. Man soll als Hilfebedürftiger nämlich nur eines der aufwändigen Antragsverfahren durchlaufen müssen.